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Dies sind nun die Früchte meines html-Lernens. Viel Spass!!

Ich


Es ist eigentlich nicht nötig mich vorzustellen. Es kennt mich eh jeder. Und wenn nicht, hat er keinerlei Bedeutung, ist vermutlich eines dieser Mauerblümchen, das sich nie auf einer Party blicken lässt, denn sonst würde er mich kennen.
Ja genau, ich bin die, die Dir immer und überall die Show stiehlt, ohne die eine Party nur eine Ansammlung von Langeweilern ist, die immer top gekleidet ist, den besten Modegeschmack hat, in deren Gunst Du besser stehen solltest, willst Du irgendwo dazugehören.
Jeder, der was aus sich machen will, sollte sich um meine Freundschaft bemühen.
Nun, Freundschaft ist vielleicht zu viel gesagt, ich lasse mich doch nicht dazu herab, diese ganzen bedauernswerten Kreaturen, die mir pausenlos nachrennen, nacheifern und bewundernd an den Lippen hängen, als mir ebenbürtig zu bezeichnen, indem ich sie meine Freunde nenne.
Ich erweise ihnen schon Dienst genug, indem ich sie in meiner Nähe dulde, ihnen erlaube, sich mit mir zu zeigen.
Aber genug davon. Du interessiert Dich ja nicht für diese Nichtsnutze, sondern für mich.
Also dann nehme ich Dich am besten mal mit.
Heute ist ein langer Tag. Zuerst habe ich Uni, dann Fitnessstudio, Solarium und abends gehe ich aus.
Ich glaube ich erspare Dir die ersten zwei Stunden des Tages, die ich im Badezimmer und vor dem Kleiderschrank verbringe. Ich hoffe, Du hast nicht gedacht, ich würde Dir meine Beautygeheimnisse verraten, mal unter uns, sie würden Dir sowieso nicht helfen. Wahre Schönheit hat man oder man hat sie eben nicht und ich glaube es ist uns beiden klar, wer von uns mit ihr gesegnet ist und wer nicht. Aber nicht traurig sein, sicher hast Du andere Vorzüge, mit genug Geld kriegst auch Du jemanden ab.
Also, Uni. Ich entscheide mich für mein limonenfarbenes Täschchen, packe Notizbuch, eine Flasche Wasser und Schreibetui ein und mache mich auf den Weg.
Gut das ich noch nichts gegessen habe. Auf dem Campus laufen mal wieder Gestalten rum, da wird einem ganz schlecht. Ich verstehe nicht, wie sich jemand allen Ernstes mit Turnschuhen, Jeans und Rucksack in die Öffentlichkeit traut. Wir sind doch nicht im Treckingurlaub irgendwo in der Pampa, sondern in der Uni. Nun ja, wie immer mache ich einen großen Bogen um diese Leute und setze mein überlegenes Gesicht auf. Merke, wie sie mir alle nachschauen und sich dabei wünschen auch so zu sein wie ich.
"Anikaaa!!"
Ich betrete gerade das Hörsaalgebäude, als eine Horde hysterischer Gören auf mich zu trippelt und mich mit Küsschen links, Küsschen rechts begrüßt. Mein Hofstaat. Würdest Du sie fragen, sie würden sich natürlich als meine besten Freundinnen bezeichnen, aber darüber haben wir ja schon gesprochen.
"Du siehst heute wieder umwerfend aus", bemerkt Eva zutiefst beeindruckt, während ich das Ergebnis ihrer jämmerlichen Bemühungen um Klasse betrachte.
" Danke, Du aber auch", ich setze ein Lächeln auf. Ihre Schuhe passen nicht zur Bluse, der Lidschatten nicht zum Haarband und ihre Tasche ist vollgestopft mit Büchern als würde sie die halbe Bibliothek mit sich rumschleppen, es wundert mich, das sie die Tasche überhaupt zubekommen hat. Jedenfalls ist sie ein einziger großer Fauxpas.
Aber die anderen sind auch nicht besser. Frage mich, wieso ich überhaupt meine Zeit mit ihnen verbringe. Ach ja, jetzt weiß ich es wieder, weil sie mich anhimmeln und ich sie gut benutzen kann.
" Habt ihr meine Hausaufgabe fertig?" ich hole mein Handy aus der Tasche und tue so, als wäre ich voll damit beschäftigt, sms zu lesen und mich darüber schrecklich zu freuen.
" Hat sich der BWL'ler von gestern gemeldet?" erkundigt sich Anja, deren krumme Nase auch mit jedem Tag größer wird. Nicht mehr lange und ich schleife sie persönlich zum Chirurgen. Oder noch besser, ich entferne sie aus der Clique, das kostet mich wenigstens nichts.
" Meine Hausaufgaben", betone ich bestimmt und betrachte meine perfekt manikürten Fingernägel, "- ihr habt sie mir doch wohl gemacht?"
" Natürlich", Eva zerrt eine Mappe aus ihrer Tasche, "- fertig gebunden, wie Du es wolltest. Das gibt bestimmt eine eins".
" Gut", ich packe die Arbeit ein ohne sie eines einzigen Blickes zu würdigen. Wenigstens das kriegen die noch hin.
" Nun erzähl schon, der Typ hat Dir doch einen Cocktail nach dem anderen ausgegeben, und niedlich war er ...", plappert Anja vollkommen begeistert.
" Ja und?" genervt gehe ich in Richtung Hörsaal, " die Vorlesung fängt gleich an".
Wie immer dackeln sie mir alle gleich nach.
" Mein Gott, die fette hat sich wohl noch nie im Leben die Haare gewaschen!!" tönt Eva angewidert beim Anblick einer unserer Kommilitonen.
" Wenigstens hat sie genug Haare", gebe ich zurück, Eva geht mir heute nur auf den Senkel. Da ist es ganz passend, das sie seit Tagen von nichts anderem redet als von ihrem angeblichen Haarausfall, den sie selbstdiagnostiziert hat.
" Das ist nicht lustig", regt sie sich auf und wir nehmen unsere Plätze ein, "- ich hatte heute Morgen drei Haare auf dem Kopfkissen. Wenn das so weiter geht ...".
" Bei Arabella war letztens eine ....", beginnt Anja zu erzählen.
Ich wende mich ab, die Vorlesung beginnt gerade und ich habe mir wie immer aus meinem Lehrbuch ein paar intelligente Fragen rausgeschrieben, die ich im Laufe der Vorlesung anbringen muss.
Da fällt mir ein, bei der Auswahl meiner Garderobe hätte ich bedenken sollen, das ich heute Mittag noch einen Termin bei meinem Professor habe. Nun ja, zur Not müssten auch ein paar offene Knöpfe funktionieren. Nach Hause komme ich vorher wohl nicht mehr.
Nach einer halben Stunde habe ich mein Soll für Heute erfüllt, ich habe eine Grundsatzdiskussion über das Für und Wider von Drogentests an Schulen heraufbeschworen, ein sehr heikles Thema, über das sich jetzt unsere Möchtegerngenies in der Luft zerreißen. Ich nehme mir eine Zeitung zur Hand und vertiefe mich ins Kreuzworträtsel. Auch Anja und Eva beteiligen sich an der Diskussion und vertreten, wie sollte es auch anders sein, meine Meinung. Das ist so billig ... und so praktisch. Will ich jemanden kompromittieren, erzähle ich ihnen etwas Erfundenes über die betreffende Person und im Nu weiß es die ganze Uni. Und das Gute daran ist, man würde das nie auf mich zurückführen, denn ich rede nicht böse über andere. Du glaubst mir nicht, dass das so einfach geht? Na gut, dann werde ich es Dir zeigen. Wen nehmen wir denn mal? Wie wäre es mit dem Mädchen zwei Reihen vor mir? Sie wird von allen gemocht, ist wirklich nett und immer hilfsbereit. Soll's die sein? Ja? Okay, dann mal los.
Ich drehe mich zu meinen Mädels um, " hey,- ich muss euch was erzählen, das werdet ihr nie glauben, stellt euch vor ...", um es dramatischer zu machen, senke ich die Stimme, "- ihr kennt doch den Bettler mit den beiden niedlichen Hündchen vor H&M, nicht wahr?"
Sofort kriegen beide ganz verträumte Augen und sie nicken neugierig. Die Viehcher werden von der ganzen Stadt geliebt, denn sie sind ja soo putzig.
" Gestern hat Iris dem armen Mann doch tatsächlich während er schlief sein gesamtes Geld geklaut ... ."
" Was?!?" japsen beide wie aus einem Mund, "- wie kann sie dem armen Mann mit seinen Hunden soetwas antun? Der hat doch nichts ....", Eva ist entsetzt, "- wie soll er denn jetzt die Hündchen füttern?"
Ich zucke mit den Schultern, das wäre erledigt. Schon in wenigen Stunden wird es im ganzen Jahrgang bekannt sein und Iris wird gar nicht wissen, wie ihr geschieht. Zufrieden widme ich mich wieder meiner Zeitung, während die beiden neben mir aufgebracht tuscheln und Iris dabei böse Blicke zuwerfen.
Der Rest der Vorlesung ist nicht weiter erwähnenswert. Als der Prof endlich fertig ist, packe ich meine Sachen zusammen und eile auf die Damentoilette um mir vor meinem Mittagstermin noch schnell den Lidstrich nachzuziehen.
Und ich muss sagen, meine Mädels haben in der kurzen Vorlesungspause gute Arbeit geleistet. Hör mal gut zu, worüber hier getuschelt wird?
Mittlerweile ist es schon soweit, das Iris den Penner nicht nur bestohlen hat, nein, sie hat ihn außerdem noch angespuckt und das Körbchen mit den schlafenden Hundebabys umgetreten. Über diese Eigendynamik kann ich nur immer wieder staunen.
Und, glaubst Du mir nun? Aber das beste kommt noch, wie wäre es, wenn wir Iris mal suchen gehen? Kurz Zeit habe ich ja noch.
Gerade will ich die Tür öffnen, da wird sie aufgetreten und ein flennendes Etwas rauscht an mir vorbei und verschwindet in der nächsten Kabine. Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, wer das war.
Man, es tut immer wieder gut, zu sehen, was ich alles erreichen kann.
Und Du hast hoffentlich kapiert, das Du Dich lieber nicht mit mir anlegen solltest.
Aber nun muss ich mich beeilen. Unterwegs ziehe ich noch meine Bluse zurecht und schon bin ich da. Keine Zehn Minuten später bin ich wieder raus und habe die erwünschte Fristverlängerung meiner Hausaufgabe.
Jetzt in die Mensa, wo mir die Gören wie immer einen Platz am Tisch freihalten. Du musst wohl stehen, aber das macht Dir doch nichts aus, oder? Brauchst eh nichts zu essen, wenn ich Dich so ansehe. Ich entscheide mich für einen Salat und quäle das welke Zeug hinunter. Ein Besuch vom Gesundheitsamt und die könnten dicht machen. Das musst Du Dir mal vorstellen, der Salat ist nicht etwa frisch vom Markt, nein, richtige Massenware verscherbeln sie hier an die dummen Studenten, das würden sie selbst doch gar nicht mehr essen. Und das sage ich auch.
Meine Mädchen nicken alle brav und schieben auf einmal ihr bisher anscheinend tadelloses Essen von sich weg und beschweren sich über dessen Ungenießbarkeit. Es ist einfach herrlich.
Früher war da noch ein Mädchen, das hat es mal gewagt, mir zu widersprechen. Jetzt redet kein einziger mehr ein Wort mit ihr, tja, dummes Gör, hat doch selber schuld. Musste nur verbreiten lassen, das sie versucht hätte, mir meinen Freund auszuspannen ... .
So endet unser Mal also ziemlich schnell und ich gehe heim um mir mein Trainingsoutfit zu holen. Während ich mich im Fitnessstudio abrackere und in der Röhre liege, kann ich Dir ja schon mal erzählen, wie das abends so läuft. Ich kenne natürlich sämtliche Türsteher der Stadt und komme folglich auch überall rein. Ich bin die beste Werbung für jeden Club, wird erstmal bekannt, das ich da war, dann wird ihm die Tür eingerannt. Aha, Du schüttelst den Kopf, denkst ich erzähle Dir Blödsinn, hm? Eigentlich solltest Du es aber schon besser wissen. Schau mich doch mal an, ich habe eine Topfigur, jeder Muskel zeichnet sich schön zart ab, meine Haut ist einwandfrei klar, ich habe tolle Haare, kleide mich immer super, ich kann tanzen, dagegen siehst Du aus wie ein unbeholfener Spastiker, ich bin noch dazu super nett und am wichtigsten, mir ist all das nur allzu bewusst. Egal, wo ich hinkomme, ich kann mich nicht mehr retten vor Typen, die mir was zu Trinken ausgeben wollen und eifersüchtigen Blicken der Frauen.
Aber das wirst Du heute abend ja alles sehen.
Zuvor muss ich mich jedoch noch fertig machen. Du wirst verzeihen, wenn ich etwas länger brauche, als Du es gewöhnt bist, aber ich lege nun mal Wert auf ein ansprechendes Äußeres. Das würde Dir übrigens auch mal ganz gut tun. Ich nehme also ein ausgiebiges Bad, bereite mir eine Gesichtsmaske, maniküre mir die Nägel, packe Lockenwickler in die Haare, wachse mir die Beine, kleide mich mit möglichst wenig Stoff möglichst unwiderstehlich, mache die Haare und lege Make-Up auf. Und Du kannst den Mund wieder zu machen, was hast Du denn gedacht, was ich den lieben langen Tag so tue, das ich keine Zeit für die Uni finde?
Ich arbeite echt hart daran, so schön zu sein, wie ich es nun mal bin. Ich kann es mir nicht leisten nicht tadellos auszusehen, denn das hebt mich aus der Masse hervor.
Wie gerne würde ich mich mit einem Becher Eis vor den Fernseher schmeißen und einfach nur abhängen, wie Du es ständig tust. Aber großer Gott, auch nur ein Hauch von Cellulite und mein Status ist futsch. Dann wird eine andere meinen Platz einnehmen und ich verschwinde in den Massen der namenlosen Studenten, die hier überall rumschwirren und über die ich ständig lästere.
So, ich bin jetzt fertig und was ist mit Dir? So willst Du mit mir kommen? Na schön, in meiner Begleitung würden sie Dich auch in einem Kartoffelsack einlassen, aber man, so viel Mut hätte ich Dir gar nicht zugetraut.
Ich bestelle uns ein Taxi und Du kannst Deine Jacke wieder hinhängen, wir werden keine Zeit in der Schlange vertrödeln, ich habe Dir doch schon gesagt, das ich den Türsteher kenne.
Also dann, ohne auf die endlos lange Schlange zutiefst böser Blicke zu achten, rausche ich an den armen Schweinen vorbei direkt auf den Eingang zu. Mit einem freundlichen Nicken lassen sie mich ein. In mein Reich, hier bin ich die unangefochtene Königin. Es wagt schon lange keiner mehr, mir im Weg zu stehen, sie spüren alle meine Anwesenheit regelrecht und machen mir schnell eine Gasse frei. Und diese Blicke, sie tragen mich, lassen mich nahezu engelhaft durch die Massen schweben. Für diese Momente lebe ich. An der Bar angekommen muss ich nicht lange warten, bis mir was zu trinken ausgegeben wird, im Gegenteil, es sind so viele Leute, das ich nur einige wenige Angebote annehmen kann. Das sind natürlich die finanzkräftigsten und gut aussehendsten Typen, denen ich diese Ehre gewähre. Die anderen ziehen enttäuscht weg,- die Luschen würden glaube ich ganz gut zu Dir passen, im optischen stehen sie Dir jedenfalls in nichts nach. Also dann wollen wir mal sehen, was die Typen heut so taugen. Trinke ein paar Cocktails und lausche ihren Komplimenten, die sie mir nacheinander ins Ohr hauchen. Meine Wahl ist schnell getroffen. Entscheide mich für einen gewissen José, packe seine Hand und zerre ihn auf die Tanzfläche. Wenn seine spanische Herkunft hält, was sie verspricht, werden wir gleich was auf den Parkett legen, das Dir der Atem stockt. Niedlich ist er ja, schwarze Haare und eine Stirnlocke, die ihm verwegen ins Gesicht hängt, dazu nussbraune Augen und einen Körper, man, da könnten einem die Beine den Dienst versagen.
Nach einer halben Stunde lasse ich mich von ihm in die Cill-Out-Lounge begleiten. Und eine Erfrischung servieren. Was dann folgt, kannst Du Dir ja denken, etwas rummachen und ihn dann, wenn er vorschlägt zu ihm nach Hause zu gehen, abservieren. Das macht sie nur noch heißer, so kann ich sicher sein, Gegenstand ihrer nächtlichen Träume und täglicher Sehnsüchte zu sein. Unerreichbar für sie.
Nach zwei weiteren Typen, die mit José allerdings nicht zu vergleichen aber äußerst großzügig mit Cocktails sind, fängt der Club so langsam an, eine Heimstätte für sturzbetrunkene umherwankende Menschen zu sein und ich entschließe mich zu gehen. Das wird mir sonst alles zu unkultiviert hier.
Du kannst gerne bleiben, Deine Neugier dürfte ich Dir ja wohl gestillt haben.


written by Andrea Reichstein, 14.07.2004